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: Wie ist das möglich?9 fragte ich.
: Wüßtest du, mein Sohn, was ich diesen Morgen alles
erlebt habe, du müßtest eingestehen, daß es kein reiche-
res und lustigeres Leben gibt als das meinige. Höre zu!9 
Er erhob sich, schob die Riegel vor seiner Tür, zog einen
alten Vorhang zu, dessen Ringe auf der rostigen Stange
kreischten, und setzte sich nieder.
: Ich hatte diesen Morgen nur zwei Wechsel einzukassie-
ren,9 hub er an. : Ein hübscher, junger Mann hatte mir das
erste Papier überreicht, er kam in einem Tilbury angefah-
ren, es war von einer Gräfin, einer der schönsten Frauen
in Paris, der Gattin eines reichen Gutsherrn, unterzeich-
net und lautete auf 1000 Franken.  Wie kam es in die
Hände des hübschen jungen Mannes?  Je nun, das
kümmert mich nicht!  Das zweite Papier, nur 100 Fran-
ken wert, war mit Fanny Malvaut unterzeichnet. Ein
Kaufmann hatte es mir dargereicht. Die reiche Gräfin
wohnte Rue de Helder und Fanny Malvaut Rue Mont-
Martre.  Ich dachte mir unterwegs: wie, wenn diese
Damen nun auf meinen Besuch nicht vorbereitet wären,
mit welchen Ehrenbezeigungen werden sie mich alsdann
wohl empfangen?  Was tut man nicht um 1000, um 100
Franken?  Welche freundliche Mienen, welche süße
Stimmen erwarten wohl den Inhaber dieses Papiers? 
Welche zärtlichen Worte, welche Bitten halten sie wohl
in Bereitschaft?  Trockenschling! du hast ein weiches
Herz  darum halt dich tapfer. Was sind Bitten und süße
Worte, sie gehen zu einem Ohr herein und zum andern
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hinaus, aber Franken! die sitzen fest in der Tasche. 
Trockenschling! für dein Geld haben sie sich lustig ge-
macht, und du hast gedarbt, gearbeitet.  Sei unerbittlich
 zeig dich als Rachegeist.  Steh fest wie das böse Ge-
wissen. 
Ich betrat das Hotel Rue de Helder.9
: Die gnädige Frau ist noch nicht aufgestanden,9 sagte ein
Kammerkätzchen.
: Wann wird sie zu sprechen sein?9
: Um zwölf Uhr!9
: Ist die gnädige Frau krank?9
: Nein, mein Herr! aber sie ist erst um drei Uhr vom Balle
gekommen.9
: Gut! Sagen Sie der gnädigen Frau, ich sei da gewesen
und käme wieder punkt zwölf. Mein Name ist Tro-
ckenschling.9
: Hierauf ging ich nach der Rue Mont-Martre, ich fand ein
sehr einfaches Haus, ein alter Torweg führte auf einen
finstern Hof, den die Sonne nie beschien. Ein grauer Por-
tier öffnete das verwitterte Fenster seiner dunklen Loge.9
: Mamsell Fanny Malvaut?9
: Ist ausgegangen! Aber wenn Sie Herr Trockenschling
sind, so ist Geld für Sie da.9
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: Ich komme wieder,9 sagte ich, : denn wie ich hörte, daß
der Portier das Geld habe, war ich auf die Bekanntschaft
der Dame neugierig. Sie ist noch jung, dachte ich mir.
Den Vormittag brachte ich auf den Boulevards zu.
: Ach! was ist ein solcher Spaziergang doch wert!9 
: Wert? Sie könnten glauben, daß ich von den Annehm-
lichkeiten einer Morgenpromenade rede? Um frische
Luft und Sonnenlicht zu genießen, braucht man kein Mil-
lionär zu sein.  Es war meiner Gesundheit zuträglich! 
Je nun, dieser Vorteil fällt mir jetzt erst bei!  Ich sah mir
die in den Läden aufgehängten Kupferstiche an. Es
machte mir Vergnügen!  Aber das ist ein Vergnügen,
das jeder Bettler haben kann, man hat's umsonst.  Es
wurde lebhafter! Wagen fuhren die Kreuz und Quer. Von
allen, die vorüberfuhren, ritten, gingen, eilten, war keiner
glücklicher als Trockenschling.  Ei! welch eine elegante
Equipage kommt daher, bespannt mit vier Schimmeln. 
Du Mann, der drinnen sitzt, solltest wo anders sitzen,
denn du bestiehlst das Vaterland. Solltest lieber deine
Stiefeln beschmutzen wie Trockenschling als deine Hän-
de durch Raub.  Da! eine Chaise mit zwei Braunen.
Wirf dich nicht in die Brust, du Bankerotterer! Laß nur
gewisse Wechsel fällig sein, und du hast nicht Wagen
noch Pferde mehr, nicht Haus noch Hof, wenn du nicht
inzwischen vielleicht in der Lotterie gewinnst. Besser zu
Fuß gehen, wie Trockenschling, als zu fahren wie du. Es
heißt, besser schlecht gefahren als gut gegangen, aber du
fährst schlecht bei deinem guten Fahren, und um dein
gutes Fahren wird Schlechtes dir widerfahren.  Da! eine
Kutsche mit adligem Wappen. Der Baron da drinnen hält
sie aus Rücksicht für seine Ahnen, aber seine Kinder
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berücksichtigt er nicht und läßt sie darben. Besser reich,
wie Trockenschling, als adlig wie der.  Da trabt einer
auf einem stolzen Engländer.  Hopp, hopp! Das geht ja
schön!  aber wie lange, so geht's zu Ende damit und mit
dem ganzen väterlichen Erbteil, und dann, mein Lieber,
hast du nichts gelernt, um dir ein Fortkommen in der
bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Besser alt, wie Tro-
ckenschling, als jung wie der.  Dies alles, lieber Sohn,
ist Wahrheit!  Wir sind einige dreißig Geldwechsler zu
Paris und versammeln uns wöchentlich in einem Kaffee-
haus beim Pontneuf. Dort tauschen wir alle finanziellen
Familienverhältnisse miteinander aus. Wir haben ein
schwarzes Buch, darin werden über den Kredit eines je-
den Bemerkungen eingetragen, und die mindeste seiner
Handlungen dünkt uns nicht unbedeutend. Da, mein
Sohn, da gibt es Wahrheit!  Der Tugendhafte kann fal-
len, der Gelehrte verrückt werden, der Virtuose sich ein
Gelenk verstauchen, der Handwerker eine Lähmung be-
kommen. Aber wer reich ist, bleibt reich, wenn er ordent-
lich wirtschaftet. Das Gesetz, der Staat, die ganze bürger-
liche Einrichtung steht ihm bei.  Wer kann sagen: ich
bin weise, tugendhaft, gelehrt, geschickt, genial? Nie-
mand.  Aber wer reich ist, kann sagen: ich bin reich 
und zwar so und so reich.  In ganz Paris weiß ich, wie-
viel ich jedem Kredit geben kann. Das ist die Tro-
ckenschlingsche Philosophie!!!  Das Geld, mein lieber
Sohn, ist das eifersüchtigste Geschöpf auf der Welt. Es
will ganz allein geliebt sein. Lieben wir irgend etwas
mehr auf der Welt als das Geld, gleich geht's dafür hin, [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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