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Sprengstoffs an der Wand für eine gewisse Stimmung sorgte. Zwei Schluck Sekt und
ein Löffelchen Torte, das wirkte eine Weile als belebender Kontrast. Die normale
Welt erschien schon als die verkehrte Welt, und es fehlte nicht viel, und ich hätte
mich daran belustigen können. Also hielt ich still.
Ruhig brachten wir den Nachmittag hinter uns. Wieder gab es Hühnchen zu essen,
dazu eine Apfelsine, die ich aufhob. Die Stewardessen servierten in neuen, leichten
Kleidern. Ingeborg bat um Binden oder Tampons. Jutta sagte, sie müsse sich
gedulden, sehr viele Frauen hätten in den letzten Stunden ihre Periode bekommen,
sie hätten schon am Mittag Vorrat bestellt. Sie wandte sich aber gleich zu Nummer
28 und verhandelte mit ihr, die daraufhin die Bitte an den Anführer weiterzugeben
schien.
Den Kindern wurde Spielzeug gebracht, batteriegetriebene Autos, Raumfahrzeuge,
Roboter und ähnliches Zeug. Bald hörten wir vorn und hinten das Sirren, Fiepen und
Brummen dieser Maschinchen. Die Kinder waren bisher erstaunlich ruhig und
unauffällig gewesen, sie schienen sich noch besser als die Erwachsenen anzupas-
sen, und nun erst, als man ihnen eine Abwechslung bieten wollte, wurden sie lästig.
Wenn ich im Taumel meiner Erschöpfungen einen Halt suchte und kurz vorm Ein-
schlafen war, schreckte eine Kindersirene mich sofort wieder auf.
Mit Ingeborg plauderte ich über Kosmetik. Ihre Wimpern, die ich für angeklebt
gehalten hatte, seien echt, versicherte sie. Um ihre Wimpern sei sie immer beneidet
worden, deshalb sei sie Kosmetikerin geworden. Ich wagte nicht, nach ihren
Fingernägeln zu fragen. Sie wuchsen in unserm Treibhaus anscheinend schneller.
Während wir über Hotels und Strande in Mallorca sprachen, mußte ich daran
denken, daß sie mit solchen Nägeln ihren Kundinnen nicht die Creme einmassieren
kann. Ingeborg regte sich über die hohen Einzelzimmer-Zuschläge auf.
Bald hatten wir nichts mehr zu reden. Ich hatte keine Kraft mehr, vorwärts zu denken.
Es stellten sich keine Bilder aus der Vergangenheit ein. Die Freunde, die Kollegen,
die Eltern, sie alle rückten immer weiter weg, als hätten sie, die Angehörigen, mich
längst verabschiedet. Ich merkte, wie meine eigene Geschichte hinter mir
verchwand, sie wurde ganz und gar überflüssig. Von Stunde zu Stunde wurde es
immer unwichtiger, wer ich war und wann ich, ehe ich in diese Maschine gestiegen
war, dies und das getan, gefühlt, gedacht hatte. Mit welchen Schwierigkeiten ich
mich durch meine paar Jahre Leben geschlagen oder gewunden hatte, das
interessierte keinen mehr, nicht einmal mich selbst. Meine Biographie spielte keine
Rolle, und deshalb sah ich auch keinen Sinn darin, Bilanz zu ziehen.
Zum erstenmal seit Jahren der Wunsch zu stricken. Aber die Bewacher würden
sofort die Nadeln beschlagnahmen. Sie behielten uns ständig im Blick. Sie versahen
ihren Dienst wie routinierte Beamte. Artig hoben wir die Hand, wenn wir auf die
Toilette mußten und auf einen Wink warteten. Der Wink war freundlich, auch wenn er
mit der Pistole gegeben wurde. Der Terrorist, dein Freund und Helfer. Ingeborg
schlief, den Kopf auf das Tischchen gelehnt. Lange Zeit hatte ich es ausgehalten,
nicht auf die Toilette zu gehen. Die vordere war gesperrt, voll mit Müll. In den beiden
hinteren, hieß es, stinke es unerträglich. Ich versuchte so lange wie möglich zu
warten. Herr Schmidt auf der anderen Seite kratzte sich nervös in den Haaren. Mit
einem Finger massierte er ein Stück seiner Kopfhaut. Flöhe oder Kopfschmerzen,
aber warum kratzt und reibt er sich so? Seine Schiffe hatten die Schlacht verloren.
Nun wurde ich nervös, weil er nicht aufhörte mit seiner Kratzerei.
Ohne an die Frage der Erlaubnis zu denken, griff ich zur Zeitung. Das Format war zu
groß für Flugzeuginsassen, ich hatte Mühe, die Seiten zu wenden und zu kniffen,
ohne meine Nachbarin zu wecken. Nummer 28 kam vorbei, aber sie verbat mir das
Lesen nicht. Unkonzentriert las ich über die meisten Artikel hinweg, suchte nach
Meldungen über die Entführung des Industriepräsidenten. Ich fand nichts. Eigentlich
suchte ich die Zeitung nur darauf ab, ob sie Nachrichten über uns enthielt oder
Andeutungen. Ich hatte nicht vergessen, daß ich die Zeitung von vorgestern mit den
Nachrichten von vorvorgestern in der Hand hielt. Aber ich wollte mir einbilden, es
müsse über uns etwas zu finden sein, über mich. Vorzeichen, es muß doch Vorzei-
chen geben! Ich las Artikel mit Appellen zur Bekämpfung des Terrorismus, daneben
das Foto eines gangsterhaft grinsenden Politikers, der sich der Bekämpfung des
Terrorismus verschrieben hatte. Vier mutmaßliche Anarchisten waren in Rotterdam
festgenommen worden. Ein anderer Politiker verteidigte irgendeine Zitatensammlung.
Ein Historiker wurde gepriesen, weil er unbekannte Tagebuchnotizen von
Generalfeldmarschall Rommel entziffert hatte.
So streifte ich die Seiten durch bis in die letzten Absätze langatmiger innenpolitischer
Berichte, irgendwo mußte es ihn doch geben, diesen Satz: Alle Geiseln sind frei. Und
wenn das vielleicht zuviel verlangt war, dann wenigstens das: Die Bundesregierung
hat soeben den Austausch beschlossen.
Ein Zucken im Hirn oder der erste Stich von Kopfschmerzen - ich war sicher, daß sie
in diesen Augenblicken in der Regierung den Beschluß faßten. Es war nicht schwer,
die telepathische Verbindung herzustellen. Zuerst ein geschlossener Raum und darin
eine Runde gefüllter Herrenanzüge um einen großen Tisch. Alles grau, mattblau,
blaß. Dann die Herren in ordentlicher Haltung, aber erschöpft. Sie waren sich einig.
Sie hatten zu viel Kaffee getrunken. Sie hatten lange genug beraten, sie wollten nach
Hause. Wochenende. Ihre Hemden waren nicht verschwitzt. Sie hatten ihren Frauen
einen freien Abend versprochen. Sie brauchten keine Dusche, sie stanken nicht, sie
wollten nur endlich etwas anderes sehen als immer die gleichen Gesichter dieser
Beratungsrunde. Sie klappten die Aktendeckel zu. Sie ließen den Kaffeerest in der
Tasse kalt werden. Sie hatten alles abgewogen, sie brauchten nicht abzustimmen.
Die Mehrheit war eindeutig. Der Krisenstab hatte die Krise gelöst. Sie lockerten die
Schlipsknoten. Sie hatten ihre Pflicht getan. Die Einzelheiten konnten die Experten
klären. Noch eine Nacht und ein Vormittag bis zum Ablauf des Ultimatums. Einer
erinnerte an die Vertraulichkeit. Sie stimmten dem Kommunique des Sprechers zu.
Wer noch viel vor hatte, nahm einen Schluck Fruchtsaft. Sie standen auf, sie blickten
sich aufmunternd an, einige liefen erleichtert zu den Telefonen. Andere zu den
Toiletten. Die persönlichen Bewacher gingen in Stellung. Die Wagen fuhren vor.
Mit solchen Bildern versuchte ich einzuschlafen, aber die Sirenen der Spielzeuge
hielten mich wach. Sie klangen nach Polizei, Krankenhaus, Gefahr. Sie taten weh,
schnitten ins Gehör. Die Batterien, hoffte ich, müßten bald verbraucht sein. Ich hielt
mir die Ohren zu, sah Petras Kind vor mir, das kräftig gewachsen war, ein
kreischendes Dreijähriges, das nun mit Robotern und Autos spielte, mit denen es
noch nicht richtig umgehen konnte und die es fiepen und brummen ließ. Diese Töne
vermischte das Kind mit dem eigenen Quengeln und war mit nichts zufrieden und
ging allen auf die Nerven, selbst Petra, die allein war mit dem Kind und wütend auf
den Vater, der sich nicht blicken ließ und nur das scheußliche elektrische Spielzeug
schickte, Petras Kind hier im Flugzeug zwischen den ändern Kindern, mit den [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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